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  • Julian

Spurensuche in Italien - Reisebericht Tagliamento

September in Österreich, Zeit der Ernte. Die ersten gefärbten Blätter, der Bäume kündigen den Hebst an. Zeit für mich das Weite zu suchen, wärmeliebend wie ich bin.


Wir starten zu Fuß in Osttirol, das Ziel der letzte naturbelassene Wildfluss der Alpen.

Die Jahreszeit stellt sich als ideal heraus, um vom reichhaltigen Buffet der Natur zu naschen.

Heidelbeeren, Himbeeren, Walderdbeeren, Brombeeren versüßen uns den Weg. Steinpilz und Eierschwammerl spenden uns Energie. Zwischendurch gibt es Nüsse in den verschiedensten Formen. Birnen und Äpfel reif und saftig und beim abendlichen Lagerfeuer freuen wir uns über einen Kiefernnadeltee, um nur ein paar Köstlichkeiten zu benennen.


Ein paar imposante Tage des rauf und runters später, erreichen wir das angepeilte Ziel und springen in den kühlen Tagliamento.

Jetzt erstreckt sich ein ewig weites Habitat aus Geröllfeldern gemischt mit Sandbänken, an denen wir die Spuren von Rotwild, Rotfuchs, Reh, Feldhase, Fischotter und Co erspähen sowie grünen Inseln, bewohnt von Weiden, Pappeln, Birken, Kiefern, Eichen, Buchen, krautigen Pflanzen und einer Fülle von Vögeln und Insekten, die sich so nahe am Wasser wohl fühlen.

Der Fluss mäandert auf diesem unregulierten Feld wie es ihr gefällt.


Immer wieder kreuzt ein Ast des Flusses vor unseren Beinen die Seiten und wir watten, die Schuhe ausziehend, durch den Strom.

Erst maximal knietief stellt uns der Fluss ab Höhe Tolmezzo vor immer größere Herausforderungen. Durch einen aus Norden kommenden Zufluss aus dem Valle del But, vereint sich der Tagliamento in dieser Stadt und anstelle von knietiefem geht es durch hüfthohes Gewässer mit einer Stärke, dass wir aufpassen müssen nicht mitgerissen zu werden und uns schneller und nasser als gewünscht gegen salziger Flut treiben sehen.


Mario seinerseits passionierte Fotograf und ausgestattet mit analogem Geisterfänger ist doppelt bedacht das Equipment nicht der Wasserdichtheit zu unterziehen.

Erschöpft und erleichtert, voll mit Bildern in unseren Köpfen schlagen wir immer wieder aufs Neue unser Camp an den schönsten Ufern des Flusses oder höhere Gefilde aufsuchend an den Hängen der mächtigen Bergwelt, aus der zahlreiche Sprösslinge dem Hauptstrom entgegenstürmen, auf.


Jeden weiteren Tag den wir so gehend, den Lauf des Tagliamento folgend verbringen, tauchen wir tiefer ein in das vor Leben strotzende Habitat. Die Natur kann sich hier noch ungezwungen entfalten und spendet dadurch zahlreichen Lebewesen Nahrung und Heimat.


Die vereinzelten Besuche der anliegenden Dörfer und Städte, mit reguliertem Verkehrsbetrieb stellen mich vor neue Herausforderungen. War ich es gewohnt auf dem kilometerbreiten Flussfeld den Weg frei zu wählen, musste ich in den Städten aufpassen, beim unbedachten Kreuzen von einer Seite auf die Andere, nicht unsanfte Begegnung mit den dort zirkulierenden Fuhrwerken zu initiieren.

Das Wesen des Flusses und des Fließens wird mir auf diese Art zu Reisen klarer und klarer.

Es beeindruckt mich zu sehen, wie aus allen Höhen seit Millionen von Jahren, Quellen und Bäche Richtung Tal stürzen und sich zu immer größeren Formationen zusammenfügen und Richtung großer See strömen.

Die Landschaft, die Lebewesen, das Leben wird durch diese einzigartige Bewegung geprägt und geformt. Ein ewiger lebendiger Kreislauf, in dem wir eingebunden, genährt, gestaltet und gespiegelt werden.

Wasser... Meisterin des Fließens, Existenzgrundlage und Vorbild. Eleganz und Leichtigkeit trifft Schönheit und Kraft. Ich bin dankbar für diese Begegnung die mir vor Augen führt, welches schöpferische Potential in einem in Fluss befindlichen Organismus steckt.


Die letzten Tage verbringe ich damit mir die historische Altstadt von Venedig zu Gemüte zu führen. Eine Stadt im Wasser, die erahnen lässt, wie das Leben vor hunderten Jahren, ohne touristischer Hauptausrichtung, ausgesehen haben mag.

 

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